Welch ein Kampf und welch eine Spannung: Die MT Melsungen hat gegen den Tabellenführer der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga einen Punkt erarbeitet. Die Nordhessen trennten sich vom SC Magdeburg am Sonntagnachmittag 29:29 (17:14).
Das hatte wenig von beschaulicher Vorweihnachtszeit. In einem über die volle Spielzeit packenden, intensiven und höchst spannenden Schlagabtausch spielten die MT Melsungen und der SC Magdeburg 29:29 (17:14).
Mehr Spitzenspiel geht kaum, als diese beiden Teams am Adventsnachmittag zeigten. Rasantes Tempo, spektakuläre Tore, Glanzparaden der Keeper, wechselnde Führungen. In der ersten Hälfte mit Vorteilen für Melsungen und nach dem Seitenwechsel Magdeburg in der besseren Position. Dazu mit Ivan Martinovic (10/1 Treffer) und Omar Ingi Magnusson (9/4) zwei treffsichere Akteure, die unwiderstehlichen Zug zum Tor zeigten. Das war Handball der allerfeinsten Sorte, den die 4.491 Zuschauer in der Kasseler Rothenbach-Halle geboten bekamen. Dazu Fragen und Antworten:
Gab es personelle Überraschungen?
Auf Magdeburger Seite ja, denn Gisli Kristjansson, der lange wegen einer Schulterverletzung mit anschließender OP zuschauen musste, war nach seiner erstmaligen Rückkehr auf die Bank beim Champions League Spiel unter der Woche auch in Kassel wieder mit auf dem Spielberichtsbogen. Derlei gute Nachrichten gab es bei den Gastgebern nicht, der zuletzt schon schmerzlich vermisste Elvar Örn Jonsson fehlte weiter im Aufgebot. Überraschend aber war, dass Roberto Garcia Parrondo im Tor Adam Morawski den Vorzug gegenüber Nebojsa Simic gab – und ihn zu Gunsten eines siebten Spielers gleich erstmal auf der Bank beließ.
Wie viel Stimmung war im Spitzenspiel?
Ganz viel. Und das schon vor dem Anpfiff. Der Fanklub „MT-Trommler“ hatte mit den ersten Erlösen seiner Pfandsammel-Aktion Leuchtstäbe besorgt und sie auf West-Tribüne verteilt. Mehr zweiter Advent geht kaum, die Stimmung in der restlos ausverkauften Halle war vom Anfang bis zum Ende ebenso festlich wie grandios.
Übertrug sich das Festtagsgefühl auch aufs Feld und die Spieler?
Ja, und wie! Herrschte erst einmal wegen der überraschenden 7-gegen-6-Entscheidung Parrondos leise Verwunderung, wich die ganz schnell lautstarkem Jubel. Dafür verantwortlich zeichneten Timo Kastening, der doppelt zur 2:0-Führung traf, Adam Morawski mit starker Parade gegen Daniel Pettersson sowie Julius Kühn mit dem 4:1. Mit etwas Verspätung kam auch Magdeburg in Feststimmung. Dreimal Jubel hintereinander zum 4:4 (9.), alles war wieder ausgeglichen.
Blieb das hohe Tempo bestehen?
Ja, beide Mannschaften schenkten sich nichts. Verschnaufpausen waren schlicht nicht gegeben, Tore fielen weiter im Minutentakt. Auch wenn sowohl Adam Morawski als auch Nikola Portner sich mit jeweils guten Aktionen bemerkbar machten. Mit Vorteilen beim Melsunger, was auch Bennet Wiegert so sah. Im Anschluss an das 8:8 (15.) durch Dainis Kristopans beorderte er deshalb schon früh Sergej Hernandez zwischen die Pfosten. Ohne nachhaltigen Effekt, denn Morawski drehte in der Folge so richtig auf. Eine Glanztat nach der anderen, und vorn klingelte es zudem ständig. Bis auf 14:9 (23.) setzen sich die Gastgeber ab. Zu viel für Bennet Wiegert, der schon seine zweite Auszeit investierte und zudem wegen allzu vehementer Beschwerden eine Strafe kassierte.
Was war da Mitte der ersten Hälfte plötzlich mit Magdeburg los?
Gute Frage. Es klappte plötzlich nicht mehr viel beim SCM. Natürlich vor allem geschuldet der Vielzahl von spektakulären Morawski-Paraden. Der stachelte damit seine Vorderleute so richtig an und die ließen sich nicht lange bitten. War es in der Anfangsphase Dainis Kristopans, der von Halbrechts zuverlässig netzte, übernahm nach seiner Einwechslung Ivan Martinovic diesen Part. Allerdings nicht im Tausch, sondern als Spielmacher. Erik Balenciaga rochierte dafür als Backup für Julius Kühn nach links. Eine Konstellation, mit der die Gäste so ihre Probleme hatten. Wohl auch ein gewichtiger Grund dafür, dass der Tabellenführer bedenklich ins Schwimmen kam. Und sich zur Pause wenigstens noch so weit berappelte, dass es nur mit drei Toren Rückstand in die Kabine ging.
Trug die MT ihre glänzende Vorstellung auch in die zweite Hälfte hinein?
Erst einmal nicht. Aus der ersten Hälfte war noch ein Rest Strafe von Arnar Freyr Arnarsson übrig, Adrian Sipos holte sich gleich eine dazu. Doppelte Überzahl also für die Gäste und durch Janus Smarason der 17:16-Anschluss (32.). Noch war aber die Führung da. Die taktische Geschichte mit Balenciaga und Martinovic funktionierte auch noch, das Kempa-Anspiel des Spaniers setzte Martinovic sicher zum 19:17 (36.) ins Netz. Trotzdem kam Magdeburg durch Magnus Saugstrup zum 19:19 (37.). Abermals setzte sich Melsungen mit einem Zwischenhoch auf 22:19 (39.) ab, wieder kam Magdeburg zurück. Omar Ingi Magnusson traf doppelt zum 22:22 (43.). Was für ein Spiel!
War die Spannung noch zu steigern?
Sicher! Denn nachdem Magnus Saugstrup den Magdeburger 5:0-Lauf zum 22:24 (45.) vollendet hatte, war der Tabellenführer am Drücker, die MT lief hinterher. Sie tat das mit Leidenschaft und enorm viel Einsatz, jedoch wenig Glück. Auch wenn der eingewechselte Nebojsa Simic gegen Felix Claar ein erstes Erfolgserlebnis feierte, ging vorn nicht mehr viel. Sergej Hernandez wusste sich zu steigern, Magnus Saugstrup war am Kreis kaum mehr unter Kontrolle zu bringen, traf zum 23:26 (52.). Und trotzdem wollte sich die MT noch nicht geschlagen geben, hielt dagegen. Trotz, oder gerade wegen des doch eher unglücklichen Rückstandes gab die Rothenbach-Halle alles. Es war ein Höllenspektakel, als erst Ivan Martinovic sein persönliches Konto auf 10 Treffer aufstockte, dann Erik Balenciaga und Kristopans jeweils den Anschluss wieder herstellten, nachdem Omar Ingi Magnusson von der Siebenmeterlinie eiskalt geblieben war. Und mit Timo Kastenings Tempogegenstoß zum 28:28 (58.) flog fast das Dach weg.
Was passierte in den Schlussminuten?
Erst gab es ein gellendes Pfeifkonzert, als die Referees nach einer sensationellen Parade doch noch auf Strafwurf für Magdeburg entschieden. Den selbstverständlich Magnusson verwandelte. Es folgte tosender Jubel, als Arnarsson quer in der Luft liegend einmal mehr ausglich. Die letzte Minute geriet zum nervenzerfetzenden Krimi. In dem erst Janus Smarason bei angezeigtem passivem Spiel den letztmöglichen Wurf nahm und ihn knapp neben den Pfosten setzte. Dann die Auszeit von Roberto Garcia Parrondo mit 21 Sekunden Rest auf der Zeit. Der siebte Feldspieler kam, die Uhr wurde runtergespielt. Der finale Pass ging zu Arnarsson an den Kreis, kam aber nicht an. Wohl Abwehr im Raum zwar, aber dennoch kein Siebenmeter. Immerhin ein allerletzter Freiwurf bei abgelaufener Uhr, den dann Kristopans über die Mauer, aber nur an die Oberkante der Latte bekam. Schluss, Aus, Ende. In einem irren Schlagabtausch, der mehr als zurecht das Attribut „Spitzenspiel“ trug.
Stimmen zum Spiel
Roberto Garcia Parrondo: Ich glaube, wir haben heute sehr gut gespielt. Mit dem Ergebnis müssen wir zufrieden sein, weil es schon eine herausragende Leistung ist, gegen eine Top-Mannschaft wie Magdeburg einen Punkt zu holen. Ich gratuliere meiner Mannschaft zu ihrer Leistung, denn sie hat toll gekämpft. Wenn wir gegen den SCM auch noch den zweiten Punkt holen wollten, müssten wir schon ein absolut perfektes Spiel abliefern.
Bennet Wiegert: Mir fällt es schwer, so kurz nach dem Spiel schon zu analysieren. Ich bin fertig und ausgebrannt. Das war ein super Spiel mit einer tollen Atmosphäre. Ich kann auch noch gar nicht sagen, ob ich mit dem Punktgewinn zufrieden bin, ob es überhaupt ein Gewinn war oder ein Verlust. Obwohl ich es damit ja eigentlich schon sage. Mitte der zweiten Hälfte hatte ich das Gefühl, die beiden Punkte nehmen wir uns. Aber die MT hatte immer einen Plan und ist immer drangeblieben. Deshalb nochmal: Es war ein tolles Handballspiel!
Quelle: MT Melsungen Pressedienst