Diese Partie hat die Bezeichnung Topspiel mehr als verdient. Am Donnerstagabend gastiert die MT Melsungen bei den Füchsen Berlin (Anwurf 19 Uhr). Der Tabellenzweite der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga fordert den Spitzenreiter heraus – mehr Brisanz geht nicht.
Um den Stellenwert dieser Partie zu verdeutlichen, genügt ein Blick auf ein paar statistische Werte vor dem zehnten Spieltag: Die Füchse sind mit neun Siegen perfekt in die Saison gestartet. Die Ausbeute der MT mit 16:2 Punkten kann sich ebenfalls sehen lassen. Die Gastgeber stellen den besten Angriff der Liga, die Nordhessen die beste Defensive.
Melsungens Schlussmann freut sich auf den Vergleich. Er sei in seinem siebten Jahr bei der MT, sagt Nebojsa Simic, und er habe immer darauf vertraut, „dass wir mal in solch eine Situation kommen.“ Zumal niemand damit gerechnet habe. „So macht Handball richtig Spaß, dafür wirst du Profi. Jetzt gilt es.“ Weil die Berliner zu Hause antreten, sieht Simic die Favoritenrolle bei der Mannschaft von Trainer Jaron Siewert, fügt aber hinzu: „Wir sind natürlich nicht chancenlos.“
Diese Faktoren könnten am Donnerstag eine Rolle spielen:
Faktor Torhüter
Melsungens Simic knüpft nahtlos an seine Leistungen der Vorsaison an. Nach den ersten neun Partien der aktuellen Spielzeit weist der 30-Jährige eine Quote gehaltener Bälle von 29,92 Prozent auf, insgesamt 73 Paraden, davon fünf gehaltene Siebenmeter. Damit belegt der Mann aus Montenegro den sechsten Platz in der Torhüterstatistik der HBL.
Sein Gegenüber grüßt sogar von der Spitze. Berlins Dejan Milosavljev hat mit 30,52 Prozent eine ähnliche Quote, liegt aber bei den Paraden bereits bei 105 – allerdings stand der 27 Jahre alte Serbe bislang fast zwei Stunden länger auf der Platte.
Nicht nur optisch gibt es bei den zwei Torhütern vom Balkan gewisse Parallelen. „Die Art, wie wir den Ball attackieren, wie wir den ganzen Körper einsetzen – da sind wir uns sehr ähnlich“, sagt Simic, für den klar ist, dass die Torwartleistung am Donnerstag ein entscheidender Faktor sein kann: „Ich hoffe, dass ich wieder ein Top-Niveau erreiche.“
Faktor Gidsel
Mathias Gidsel befindet sich in bestechender Form. Mit 67 Treffen belegt der Däne Rang zwei in der Torschützenliste der Liga bei einer Quote von 74 Prozent – und das für einen Spieler aus dem Rückraum. Der Berliner Halbrechte glänzt aber nicht nur mit eigenen Toren, wie Timo Kastening weiß: „Über ihn läuft fast alles im Berliner Angriff. Er setzt seine Nebenleute perfekt ein. Für mich ist Gidsel aktuell der weltbeste Handballer“, sagt der MT-Kapitän über den 24-Jährigen.
Um den Faktor Gidsel erst gar nicht zur Wirkung kommen zu lassen, hängt viel von David Mandic ab. Der Kroate deckt bei der MT auf Halblinks und hat schon mehrfach bewiesen, dass er den dänischen Ausnahmekönner in Schach halten kann. Kastening drückt es so aus: „Wenn jemand Gidsel stoppen kann, dann ist es unser Manda. Ich traue ihm das zu.“
Gidsel hin, Gidsel her. Die Berliner müssen sich nicht weniger Gedanken machen, denn auch der Melsunger Rückraum hat es in sich. Dainis Kristopans und Ivan Martinovic ergänzen sich prima auf Halbrechts. Und Elvar Örn Jonsson auf Halblinks hat sich im Laufe der Saison zum Torgaranten entwickelt. Mit 46 Treffern ist der Isländer zweitbester MT-Schütze hinter Kastening (49) und steht damit auf dem 13. Platz der Torschützenliste.
Faktor Kaderbreite
Die Kaderbreite spreche eher für die MT, sagt Kastening. Nicht zuletzt deshalb, weil die Füchse am Dienstagabend eine Partie in der European League zu bestreiten und somit einen Tag weniger Pause hatten. In Fabian Wiede und Paul Drux fehlen den Berlinern schon länger zwei erfahrene Spieler, Kreisläufer Max Darj war zuletzt umgeknickt – Einsatz fraglich. Kurzum: Der Berliner Kader ist extrem abgespeckt.
Demzufolge nimmt Berlins Siewert wesentlich weniger Wechsel vor als MT-Trainer Roberto Garcia Parrondo. Immerhin schlagen Füchse-Talente wie Nils Lichtlein gut ein und sorgen regelmäßig für Entlastung. Trotzdem könne die Müdigkeit eine Rolle spielen, sagen Simic und Kastening, aber: „Wenn du die ganze Zeit nur mit sieben, acht oder neun Leuten spielst, weiß jeder, was der andere tut.“ Da entstehe mitunter eine spezielle Dynamik innerhalb eines Teams.
Faktor Fuchsbau
Aller Voraussicht nach wird die in Handballkreisen als Fuchsbau bekannte Max-Schmeling-Halle nicht mehr viele leere Plätze am Donnerstagabend zur Verfügung haben. Für Nebojsa Simic stellt eine laute Kulisse aber kein Problem dar – im Gegenteil: „In einer tollen Atmosphäre zu spielen, macht doch erst richtig Spaß“, sagt der Melsunger Schlussmann. Und wenn die Halle gegen einen ist, pushe ihn das zusätzlich. Außerdem fügt er hinzu: „Wir haben auch in Kiel vor mehr als 10.000 Zuschauern bestanden.“
Abgesehen davon hat sich die MT in den zurückliegenden Jahren immer recht gut im Fuchsbau präsentiert – die deutliche Klatsche Ende Februar mal ausgenommen. Michael Allendorf kennt die Auftritte in der Hauptstadt noch aus Profizeiten: „Berlin war zuletzt eigentlich immer ein ganz gutes Pflaster für uns“, sagt der MT-Vorstand.
Faktor Hanning