Ein Unentschieden zum Abschluss: Die MT Melsungen hat die Saison der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga mit einem 23:23 (16:11) gegen den THW Kiel beendet. Damit haben die Nordhessen den fünften Tabellenplatz verteidigt.
Große Emotionen, super Stimmung, letztendlich ein gerechtes Ergebnis: Die MT Melsungen hat dem Rekordmeister THW Kiel beim 23:23 (16:11) ein großes Spiel geliefert. Dazu rund um die letzte Partie der Saison noch ein begeisterndes Handball-Fest mit 4.491 Zuschauern in der seit Langem restlos ausverkauften Kasseler Rothenbach-Halle gefeiert und ihren Fans schon jetzt Lust auf die nächste Spielzeit gemacht.
Der Menüplan hätte an diesem Sonntagnachmittag schmackhafter nicht sein können.
Die Vorspeise
Naturgemäß stehen die letzten Begegnungen eines Spieljahres im Zeichen von Abschieden. So ging die Stimmung vor ausverkauftem Haus in der Kasseler Rothenbach-Halle schon vor dem Anpfiff hoch, als die Kieler Steffen Weinhold und Niclas Ekberg unter dem Applaus der Halle, darunter zahlreiche mitgereiste Fans von der Förde, verabschiedet wurden. Und auch die Glückwünsche an Melsungens Tom Wolf, der just am Spieltag seinen 18. Geburtstag feierte, brachten dem Youngster Ovationen ein.
Zudem verbanden die Hausherren ihren finalen Auftritt mit der initialen Vorstellung des neuen Erima-Trikotdesigns – und spielten auch gleich darin. Optisch selbstverständlich traditionell in Rot gehalten, aber mit Besonderheiten im Detail: Sowohl Kassel als Spielort als auch Melsungen als ursprüngliche Heimat sind bedacht, doch als Clou sind diesmal auch die Fans mit drauf.
Die Reißfestigkeit des neuen Textils stellte später ausgiebig und mehrfach Petter Overby am Exemplar von Sindre Aho unter Beweis, und auch die „13“ von Rogerio Moraes hatte ausgiebige Belastungstests zu absolvieren, überstand sie aber ohne Beanstandungen.
Der Hauptgang
Auf Seiten der MT fehlten mit David Mandic, Elvar Örn Jonsson, Arnar Freyr Arnarsson und Domagoj Pavlovic gleich vier wichtige Zutaten. Spielerisch war das kaum zu sehen, im Gegenteil gaben die roten Trikots den Ton an, wobei das neue Dress insbesondere Timo Kastening zu beflügeln schien. Gleich fünfmal war der Rechtsaußen an der 6:5-Führung nach einer Viertelstunde beteiligt, legte anschließend auch noch fleißig nach.
Standesgemäß war das Geschmackslevel bei Nebojsa Simic anzusiedeln, nämlich ganz weit oben. Schon zur Pause verzeichnete der Zerberus im neuen Erima-Outfit, das bei ihm noch intensiver gelb leuchtete als bisher schon, acht gehaltene Bälle – zwei mehr als sein Gegenüber Samir Bellahcene. Dass der Unterschied da insgesamt fünf Tore betrug, lag an der mannschaftlichen Geschlossenheit der Nordhessen wie auch an einigen unkonzentrierten Abschlüssen der Kieler.
Die berappelten sich allerdings nach dem Seitenwechsel, brachten als Geschmacksverstärker unter anderem den erst 19 Jahre alten Jarnes Faust, der sich sofort als Torschütze auszeichnete. Insgesamt sah das Spiel der Norddeutschen nun viel flüssiger aus. Mit der Folge, dass Melsungens Vorsprung langsam, aber stetig schrumpfte. Gerade in Überzahl wurden die Räume nicht gut genutzt. Eiskalt bestraft vom THW, für den Elias Ellefsen á Skipagotu am Ende eines 4:0-Laufs nicht nur ausglich, sondern gleich auch noch das 21:22 (53.) erzielte.
Spiel gedreht? Nein, Melsungen blieb dran. Minutenlang lief auf beiden Seiten nicht viel Zählbares, Kiel blieb aber in Vorlage. Bis zum technischen Fehler von Nikola Bilyk in der Schlussminute bei Gleichstand und auf dem Weg zum vielleicht siegbringenden Treffer. Der verschaffte den Gastgebern die ultimative Chance auf den Sieg.
Mit sieben Feldspielern, die Trainer Roberto Garcia Parrondo bei 16 Sekunden Rest auf der Uhr aufs Feld schickte. Ein letzter Wurf von Dainis Kristopans, der zwar nicht im Netz landete, allerdings war der Lette auch in seiner Aktion im Gesicht getroffen worden. Also Videobeweis bei abgelaufener Uhr, ein unglaubliches Finale furioso. Mit dem Ergebnis, dass Hendrik Pekeler eine Strafe kassierte. Kein Siebenmeter, sondern nur Freiwurf. Den abermals der Lette ausführte, mit seinem direkten Wurf aber an Samir Bellahcene scheiterte.
Die Genüsse zwischendurch
Dafür sorgte zum Beispiel Julius Kühn, der in seinem letzten Spiel für die MT nach sieben Jahren Nordhessen sein Können demonstrierte. Sein fulminanter Kracher zum 15:8 kurz vor der Pause war das, was von ihm immer bleiben wird: Das Bild des Shooters, der halblinks mit Zug auf die Abwehr geht, zeitig abhebt und das Spielgerät mit einer irren Wucht zentimetergenau ganz unten neben dem langen Pfosten im Netz einschlagen lässt. Ganz große Küche.
Ähnlich fulminant jagte Kristopans das Runde später zum 19:16 (38.) ins Eckige. Mit Ansage sogar, denn es war der letztmögliche Wurf bei angezeigtem passivem Spiel.
Und dann waren da ja noch die Torhüter. Klar, Simic ist in Nordhessen bekannt als Feinschmecker, vor allem bei Siebenmetern des Gegners. Das musste auch Eric Johannsen anerkennen, der am Montenegriner scheiterte. Auch aus dem laufenden Spiel heraus stimmte die Quote, am Ende hatte Simic 17 gehaltene Bälle auf seiner privaten Rechnung. Nicht weniger spektakulär die Bilanz seines Gegenübers Samir Bellahcene. Der kaufte Timo Kastening sogar zwei Strafwürfe ab, Dimitri Ignatow einen weiteren und lieferte darüber hinaus ebenfalls weit überdurchschnittlich ab.
Die Nachspeise
Schmeckte süß und gleichzeitig bitter. Mit Ben Beekmann, Jan Waldgenbach, Carl Beck, Lasse Ohl und Manuel Hörr verabschiedete Michael Allendorf gleich fünf Spieler aus dem Förderkader, die zum Teil bereits aus der Jugend heraus das Melsunger Trikot getragen hatten. „Ihr wart nicht nur Statisten im Training, sondern seid Teil dieser Mannschaft geworden“, lobte der MT-Sportvorstand die Entwicklung der Talente.
Noch emotionaler wurde es, als die scheidenden Protagonisten des Profi-Stammkaders verabschiedet wurden. Beginnend mit Sindre Aho, der erst im vergangenen Herbst zum Team stieß, strich Allendorf heraus, dass der Norweger nicht nur auf dem Feld, sondern auch abseits davon „die Mannschaft nach vorn gebracht“ habe. Den Wert von Ivan Martinovic fasste er kurz und prägnant zusammen: „Was du geliefert hast, war top in der Liga!“
Bei den beiden anderen Abgängen der MT Melsungen merkte man Allendorf an, dass es auch für ihn nicht leicht war, die passenden Worte ohne Schwankungen in der Stimme zu finden. Hatte er doch mit beiden noch als Spieler gemeinsam im rot-weißen Trikot auf der Platte gestanden.
Für Domagoj Pavlovic, der in seinen sechs Melsunger Jahren lange Phasen der Verletzung durchstehen musste, und der auf Krücken zum Abschiedspodest humpelte, waren seine sehr empathischen Worte mehr als angemessen. Dass sich der Kroate dann speziell und namentlich beim „herausragenden Physio-Team der MT Melsungen“ bedankte, war nicht verwunderlich.
Mit „Julius, Julius“-Sprechchören wurde Julius Kühn auf die kleine Bühne begleitet. Als Europameister zur MT gekommen, lange Jahre als Leistungsträger im rot-weißen Dress verbracht, dabei einmal nur hauchdünn an der Liga-Torjägerkrone vorbeigeschrammt. Es gebe nicht viele, die „so im Team verwurzelt“ waren, wie es Michael Allendorf ausdrückte. Und er schickte gleich noch einen Satz hinterher, der die Bedeutung des Halblinken nicht besser hätte beschreiben können: „Im Laufe deiner Jahre bei uns hast du uns ganz, ganz oft im Alleingang den Arsch gerettet“.
Dem war dann nichts mehr hinzuzufügen – außer den einmal mehr hoch emotionalen und sehr warmen Worten, die die langjährige Aufsichtsrats-Vorsitzende Barbara Braun-Lüdicke zum Abschluss allen verabschiedeten Akteuren mit auf den Weg gab.
Quelle: MT Melsungen Pressedienst
Foto: Alibek Käsler